Kapitel1 – „Ich bin Groot"

Manchmal reicht ein einzelner Mensch, um die Tür nach draußen wieder einen Spalt weit zu öffnen, auch wenn man trotzdem selbst hindurch muss. Bei mir war dieser Mensch Groot. Und obwohl ich weiß, wie es sich später entwickelte, möchte ich damit anfangen, wie es sich damals angefühlt hat – und nicht, wie es ausgegangen ist.

Ich war nicht auf der Suche. Ich hatte mich bewusst zurückgezogen, keine Lust mehr auf Nähe, kein Vertrauen mehr in neue Kontakte. Ich streamte fast täglich auf Joy, weil ich eigentlich trotz aller Gründe für meinen Rückzug (siehe Hauptgeschichte Part 36) ein sehr extrovertierter Mensch bin.

Groot war oft in meinen Streams und stach raus, klug, nerdiger Witz, geiler Musikgeschmack, wortgewandt, höflich und doch ganz schön frech. Der typische Nerd-Besserwisser, dem ich kaum widerstehen kann.

Er war auch in meinen TreamStreams, ein wirklich gutaussehender Mann. Ein wenig dünn und groß für meinen Kink, aber attraktiv. Er hat rötliche Haare, nur leicht, aber gerade genug, damit dieser Kink erfüllt ist. Rötlicher Bart, teilweise schon grau meliert, das Gesicht offen, der Blick wach. Ich bin nicht sehr auf Äußerlichkeiten fixiert, aber bei ihm hätte ich ewig hinsehen können.

Und was mich noch viel mehr gefesselt hat, war seine Art, zu schreiben und zu reden. Er konnte frech sein, aber es hatte immer diesen Charme, dieses „Ich meine es gut mit dir". Ich erinnere mich genau, wie wir zum ersten Mal über Gendern geredet haben. Wie selbstverständlich er „Mensch" gesagt hat, nicht „Frau", obwohl ich körperlich ja genau das bin. Wie er mir angeboten hat, ihn zu korrigieren, falls es nicht passt. Er wollte es richtig machen. Und das ist selten.

Ich war schnell verknallt und zwar volles Rohr. Und ich wusste, dass es vermutlich dumm ist – weil er nicht frei war, weil er nichts versprochen hat, weil alles kompliziert war. Aber das ändert ja nichts. Wenn sich Verliebtheit an Logik halten würde, hätten wir keine Gedichte, keine Liebeslieder und ich keinen Text über Groot.

Was er kann wie kaum jemand: Er hört zwischen den Zeilen. Wenn ich schreibe, dass ich „müde" bin, weiß er, dass das auch heißen kann: Halt mich. Wenn ich herumalbere, erkennt er, wann es Selbstschutz ist. Und dann schafft er es manchmal, mich trotzdem zum Lächeln zu bringen, ohne dass ich mich ertappt fühle. Das ist eine Gabe und das mochte ich und ihn.

Das erste Treffen war eine Nervenschlacht. Ich war aufgeregt, socially awkward wie immer, unfassbar unsicher. Und er war einfach da. Ruhig, freundlich, ein bisschen neckisch, aber nie übergriffig. Wir sind spazieren gegangen, haben Kaffee getrunken, gestritten, wer meinen Kaffee bezahlt – ich habe gewonnen. Wir haben uns geküsst. Und ich habe mich für ein paar Stunden wie jemand gefühlt, der es verdient, genau so gesehen zu werden: mit Respekt, mit Zuneigung, mit echter Aufmerksamkeit.

Das hier ist der Anfang. Nicht von einer Liebesgeschichte, das wäre zu viel versprochen. Aber von einer Erinnerung, die ich behalten möchte. Weil sie zeigt, dass ich noch fähig bin, mich zu öffnen. Und weil Groot – so sehr ich ihn später auch hinterfragen musste – mir an diesem Punkt eine Tür zurück ins Leben schenkte, durch die ich hindurchging.


 

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